Verschoben von Facebook:
Gerade fällt mir ein Papier mit einer kleinen Geschichte in die Finger, die sich vor zwei Jahren ereignete und die ich aufgeschrieben habe. Ich bin keine große Freundin von emotionalen Entblößungen im Internet, dies hier aber ist es wert, erzählt zu werden.
Eine Frau, 84 Jahre alt, verlässt ihre Wohnung und macht sich an einem frühen Herbstmorgen auf den Weg, um einen Brief in den Postkasten zu werfen. Anschließend will sie noch ein Stück ums Haus spazieren gehen. Die frische Luft genießen, die Stille des Kurparks, der direkt vor dem Haus liegt, einsaugen.
Ein langsamer Rentnerschritt liegt ihr nicht, sportlich flott geht sie über den gepflegten Weg voran. Etwa zwanzig Minuten sind vergangen, da hört sie plötzlich die Stimme eines Mannes ein Stück entfernt hinter sich. “Ich hab es Dir versprochen” sagt die Stimme. Die Frau hört nicht weiter hin, hat sowieso nicht genau verstanden, was die Stimme sagt, glaubt, sie sei nicht gemeint.
“Ich hab es Dir versprochen” sagt die Stimme wieder, diesmal etwas näher.
Die Frau dreht sich im Gehen irritiert um, sieht aber nur einen schwarzen Schatten.
Die Frau ist vor ein paar Jahren nahezu erblindet.
Sie geht weiter.
“Ich hab es Dir versprochen. Ein Leben lang”.
Die Frau bleibt stehen, dreht sich fast verärgert um, wartet.
“Ich hab es Dir doch versprochen. Vor 55 Jahren: Ich folge Dir ein Leben lang”, sagt mein Vater, ein mit emotionalen Äußerungen eher sparsamer Mensch, und bleibt leicht aus der Puste vor meiner Mutter, die ihn strahlend erkennt, stehen.
Ich hoffe, beider Leben dauert für genau solche glücklichen Momente, wie diesen heutigen, noch eine Ewigkeit.