Nachtgedanken

Zwei Uhr in der Nacht. Wach geworden.

Mit zwei Telefonen im Bett.

Wünscht man sich anders – es gibt bessere Bettgenossen.

Jetzt, genau jetzt, wünscht man sich einen von der Sorte Bettgenossen herbei, der diese Telefone – und das bitte ein bisschen plötzlich – ersetzen möge und einem die Angst abnimmt, die mit ihnen in diesem Moment verbunden ist.

Nichts kann dir diese Angst abnehmen. Nichts und niemand.

Aufgestanden. Kakao gekocht. Kakao hilft. Schon in Kindertagen. Immer. Meistens.

Was soll dieser Seelenstriptease – hier in aller Öffentlichkeit? Es gab für mich immer Grenzen dessen, was ich von mir und über mich preis gebe. Ängste und Sorgen gehören dazu. Wenn dich aber eine dieser bisher nur noch ein anderes Mal gefühlten Ängste ganz tief packt und zu umklammern versucht, muss es raus. Es wird leichter. Ich merke es beim Schreiben.
„Ich wusste gar nicht, dass du so mitteilsam bist“ sagte mal jemand im August zu mir. Beschäftigt mich immer mal wieder. Bin ich auch nicht. Ich bin alles andere, als das.

Angst versucht sich offenbar gern mit Anderem zu verbinden und das Andere zu verstärken. Morgen, heute Abend, hatte ich etwas so Schönes vor gehabt. Tagelang, wochenlang fürchterlich darauf und darüber gefreut und doch abgesagt. Aus dem richtigen Grund. Nach wie vor. Es beschäftigt mich trotzdem.

Ich muss das trennen. Angst hat mit all dem nichts zu tun.

Es ist so still. Kein Geräusch. Nichts. Keine Uhr tickt. Hat die Zeit angehalten?

Vielleicht ein bisschen Musik … Leise kommt sie aus den Lautsprechern. Ein bisschenSwing. Fahrstuhlmusike.

„Ja“, sagte die Anästhesistin vor der OP, die in wenigen Stunden ansteht, „in dem Alter passiert es nach einer Vollnarkose schon mal, dass man dement wach wird“ … Wenn man in dem Alter danach überhaupt wach wird … „Wollen Sie im Fall des Falles Reanimationsmaßnahmen?“

Wenn jemand 90 ist, muss man mit allem rechnen. Schon klar. Man schiebt es immer wieder gern weg. Ich nicht. Ich versuche mich schon lange in diesen möglichen Verlust hineinzudenken in der Hoffnung, dass der Schlag, den er dann versetzt, wenn es einmal soweit ist, nicht so hart wird. Ich dachte: Bereite dich lieber auf diese Möglichkeit vor, dann wird es leichter. Falsch gedacht.

Ich muss schlafen. Nützt ja nichts, wenn ich später müde am Schreibtisch im Büro sitze. Da wird von mir Leistung verlangt und keine Sorgen, die mich quälen und ablenken.

Es sitzen vielleicht in diesem Moment zwei Menschen da wie ich. Mit den gleichen Gedanken. Ein weiterer wird alles andere als ruhig schlafen. Über 60 Jahre Ehe. Krieg und Frieden. Mehr Frieden. Mehr Liebe.

Es wird schon gut gehen. Es muss.

Ich kann mit dem Weggang von Geliebtem, Gemochten, Geschätzten nicht umgehen. Gar nicht. Ich will Geliebtes, Gemochtes, Geschätztes um mich. In meiner gefühlten Nähe. Immer. Manchmal habe ich Gemochtes selbst verabschiedet – verabschieden müssen -, weil diese gefühlte Nähe fehlte, doch meist war es andersrum: Sie wurden aus meinem Leben genommen, ohne dass ich das wollte. Ich vermisse. Und ich will nicht noch mehr vermissen müssen. Ich will keine Verluste mehr. Es reicht.

Man müsste Angst wie einen Luftballon an einer Schnur los- und davon fliegen lassen können, aber sie klebt offenbar manchmal fest wie Sekundenkleber. Ich mag nichts, das klammert. Ich klammere selbst nicht. Nie. Also muss ich mich selbst von der Angst lösen, sonst wird das nichts.

Es wird schon gut gehen. Es muss.

Fast vier Uhr. Die Tasse ist leer. Mit zwei Telefonen wieder unter die Decke und Schlaf gesucht.

Ein Gedanke zu “Nachtgedanken

  1. Liebe Monika,
    das Schreiben macht dich mitteilsamer und verbindet dich letztlich – ob jetzt öffentlich oder nicht – genau mit den Menschen, denen du wichtig bist. Du hast geschrieben, dass es leichter wird, wenn du es schreibst und genau das ist es ja auch – geteiltes Leid (Angst, Einsamkeit…) ist am Ende auch leichter zu ertragen, wenn du es mit einem (oder einigen) teilst. Keiner kann es dir abnehmen und ich bin sicher, dass du das auch nicht willst, aber ein kleines Stück mittragen und auffangen.
    Ich wünsche dir, dass alles gut geht und drücke dich fest in Gedanken!
    Deine Andrea

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