Leben und Lieben

Wenn Menschen älter werden, verändern sie sich körperlich. Zwangsläufig. Unausweichlich.

Angesammelte Kilos wird man so leicht nicht mehr los und sehr alte Menschen werden sehr dünn.

Es beginnt sich schleichend das mit der Erdanziehungskraft anzufreunden, was einst prall, straff und unverrückbar schien.

Die Haut wird nach und nach buchstäblich dünner, die Hautfarbe bleicher und Falten schleichen sich nicht nur in Gesichtszüge.

Mit 20, 25, 30 hattest du einen anderen Blick auf die Menschen, die dich umgeben. Man beurteilte sie zunächst nach Äußerlichkeiten. Gefiel einem der Mensch, mit dem man zu tun hatte, „schaute“ man sich den Rest an und befasste sich eventuell näher mit ihm.
Man glaubte, sich mit Lebensabschnittspartnern zunächst schmücken zu müssen, bevor man einen Blick hinter die Fassade warf.
Ausgelacht wurden Sätze wie „Die inneren Werte zählen“ und „Man sieht nur mit dem Herzen gut“.

Das Resultat oberflächlicher Blicke auf Menschen war ein rasches Ende von Beziehungen, waren es Partnerschaften, waren es Freundschaften.

Dann aber siehst du einen alten, geliebten Menschen und du siehst ihn plötzlich ganz anders. Du registrierst die körperlichen Veränderungen. Traurigkeit überfällt dich. Tiefe Traurigkeit ob des überdeutlichen Beweises der Endlichkeit von Leben.

Und plötzlich verlierst du diese Traurigkeit und du liebst nur noch. Du liebst die bleiche Haut, du liebst die Falten und den wackeligen Gang, du liebst die steifen Gelenke und kraftlosen, aber immer noch zärtlichen Hände und bist voller Dankbarkeit für das Leben, das du diesem Menschen verdankst. Du bist voller Dankbarkeit und Liebe für das, was er für dich getan hat, dass er dich beschützt, behütet, unterstützt, gefördert, gemahnt, getadelt, angeleitet hat. Du liebst all die Fehler, die dieser Mensch irgendwann einmal gemacht hat. Du liebst ihn dafür, dass er dir einen Boden bereitet hast, auf dem du dich entwickeln konntest und auf dem du heute sicher stehen kannst. Du liebst seinen Humor, sein Wissen, seinen Verstand, seine Sensibilität und die Liebe, die er gibt. Du willst diesen Menschen immer an deiner Seite, denn du liebst ihn für sein Dasein und für sein Sosein. Ohne Wenn und Aber.

Ich wünschte mir, ich hätte in meinem Leben in früheren Jahren manchen Menschen anders beurteilt, anders gesehen.

Ich bin sicher, ich habe früher an manchen Äußerlichkeiten geklebt und dabei viel zu viel(e) übersehen. Wertvolle Begegnungen kamen so gar nicht zustande.

Ich bin froh, dass mein Blick auf das Wesentliche heute klarer ist und meine Werte sich geändert haben.

Dieses Wesentliche und meine heutigen Werte macht mich satt, das Unwesentliche nicht.

Alt werden ist normal, alt sein ist normal. Älter werden macht klüger, gelassener, reifer, bewusster und macht aus einem früheren hübsch ein schön. Alt werden ist ein Zeichen von Leben:

 

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