Es gibt so Tage im Leben eines Menschen …
Es gibt so Gänge, die man geht …
Es gibt so Sachen …
Es gibt so Jeans …
Eifrige Leser dieses Blogs kennen die Geschichte vom Akkordeon … Nein? Wie bitte? Nun, dann aber mal flugs hier entlang: Das Akkordeon.
Nun, die damals erwähnten Akkordeon-Jeans zählt … zählte! zu meinen Lieblingsbeinkleidern. Also eines Tages in der mittäglichen Pause mal eben zu Frau Vetter. Frau Vetter? Who is Frau Vetter?
Frau Vetter hat das in der Firma, in der ich arbeite, wichtigste Büro. Eines der wichtigsten. Eines der geliebten. Unsere Nähstube. Ungemein praktische Sache das. Dort werden nicht nur Änderungen und Ausbesserungen aller Art kunstvoll erledigt, dort kann jeder von spontaner oder auch chronischer Unlust Befallene Hemden, Blusen, Shirts, Whatever zum Bügeln hinbringen und bekommt selbiges wenige Tage später für kleines Geld schrankfertig wieder mit.
Ab und an sehe ich Männer jedweden Alters, bewaffnet mit einem Wäschekorb voller Sachen über den Gang zu Frau Vetter’s Nähstube schleichen. Eingezogene Schultern und ab und einen Blick über eben jene werfend Marke „Es sieht mich doch keiner, oder?“.
Als verständnisvolle Kollegin schaut man dann schnell weg, guckt sich statt dessen höchst interessiert die Namensschilder an den Bürotüren an, an denen man vorbeiläuft und geht einen Schritt langsamer, damit man dem peinlich berührten Kollegen nicht noch am Ziel seines Weges begegnet und ihn einer offensichtlich befürchteten „Ich bin ertappt“-Situation aussetzt.
Weiß auch nicht, warum die sich so anstellen. Unsereins lässt den ungebügelten Krempel einfach ein, zwei Tage bis x-Monate liegen, um dann, wenn gerade die angemessene Musik und ein, zwei Gläser Schaumwein nebst passender Laune zur Hand sind, todesmutig den Wäscheberg zu bezwingen. Leider aber treffen all diese Dinge höchst selten aufeinander, was dazu führt, dass den bügelfreien Sachen jeden Morgen eine Liebeserklärung gemacht und alles andere mit Nichtachtung gestraft wird.
Ich schweife ab… Frau Vetter also…
Ich mit dem Lieblingsbeinkleid mein und hocherfreuten, energischen Schritts hin da, die Klinke runtergedrückt, die Tür schwungvoll aufgerissen und nicht sonderlich leise „Frau Vetter! Guten Tag! Einmal enger machen bitte!“ gerufen.
Mist verdammter – kein Kollege weit und breit, der diesen Ausruf, nennen wir es treffender … Jubel – hören und angemessen überschwänglich hätte würdigen können.
Frau Vetter, die gute Seele, sonst stets leise, ruhig und gelassen, jetzt ganz verständnisvolle Schwester, lächelt mich anerkennend, verschwörerisch-wissend an und deutet auf die Umkleidekabine. Ich rein da, in die Buxe gestiegen und nach vorne getreten. Frau Vetter nickt mit einen Blick, der nichts anderes sagt als „der Buxenhintern hängt sonstwo, die Beine einen Kilometer zu weit, der Bund so weit, als müsse er den Fluchtturm umfassen. Da lassen wir mal gepflegt die Finger von“.
Schwestern, etwas anderes wollte ich im Grunde genommen nicht sehen. Glaubt es mir: Genau diesen Blick. Nichts anderes. Sie schaute hoch und …
Erlaubt mir, dass ich noch einmal abschweife …
… sie erinnerte sich wohl an das Jeanshemd, das ich ihr neulich brachte. Das mit dem teilweise so dünnen Stoff, dass man hat Zeitungen durch ihn lesen können. Verzweifelt erklärte ich ihr damals, dass es sich um mein Lieblingsjeanshemd handele und ich gewiss auf der Stelle tot umfallen müsse, wenn es nicht mehr zu retten sei. Ich gab – ehrlich gesagt – keinen Pfifferling mehr auf das geliebte Stück. Der Besuch bei Frau Vetter war eine reine Verzweiflungstat, genährt von einem winzigen Funken Hoffnung.
„Kommen Sie in drei Tagen“ sagte sie damals knapp. Ich wie befohlen nach drei Tagen wieder hin und siehe da: Das Hemd war äußerst ansehnlich gerettet worden. Nun … um der Wahrheit die Ehre zu geben: Nicht mal als Vintage-Stück geht es mehr durch, aber mit ein, zwei Tricks (nö, ich sag nicht welche) kann es durchaus noch ein paar Monate, gar Jahre überleben. Ich war glücklich.
Frau Vetters Blick auf das Desaster, das sich nun um meine untere Hälfte wand, sprach Bände. „Ich kann das“ begann sie leise „aber das lohnt nicht wirklich und ich weiß nicht, ob der Schnitt dann …“. Ich unterbrach sie mit einem fröhlichen „Macht nix, Frau Vetter, da hab ich ja Glück. Dann muss ich mir ja leider leider eine neue kaufen“. Sie nickte nur bestätigend.
Nachdem ich dem Beweis meiner Anstrengungen der letzten Wochen entstiegen und mich vorzeigbar hergerichtet hatte, verschwand ich nach einem kurzen Plausch und kehrte äußerst zufrieden an meinen Arbeitsplatz zurück.
Eine Nummer kleiner.
Zwei wären auch gegangen, aber man will ja Platz für die Folgen all jener leiblichen Genüsse behalten, die man sich trotz und alledem hie und da gönnt, gell.
Liebe Moni, wieder einmal herrlich geschrieben!!! Ich liebe deine Geschichten!!!
Fühl dich gedrückt – ganz liebe Grüße
Heidi
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